Zwei gezeichnete Spürechblasen auf lila Hintergrund. Darüber das Logo von Hauptsache Kommunikation

Bilder helfen besser zu verstehen

Interview mit Agentur Hauptsache Kommunikation

Die Agentur Hauptsache Kommunikation hat mich interviewt zu meiner Arbeit. Das Interview ist in zwei Teilen hier und hier erschienen. Auf meinem Blog könnt Ihr das Interview in voller Länge lesen:

Lässt sich die Bedeutung von visueller Übersetzung in wenige Worte fassen?

Ja! ☺ Ich übersetze komplexe Wortinhalte in leicht verständliche zielgruppengerechte Bilder.

Wie würden Sie das, was Sie tun, zeichnen? (Können Sie’s tun?)

geschriebenes Wort "Wort". Rechts daneben führt ein Pfeil zu einem gezeichneten Smiley auf einem Blatt Papier.


Welche Zielgruppen haben Sie im Auge, wenn von visueller Übersetzung die Rede ist? Wer braucht visuelle Übersetzung?

Im Prinzip wird visuelle Übersetzung überall da gebraucht, wo ein Transfer von Informationen stattfindet und möglichst viele Leute nachhaltig angesprochen werden sollen. Ganz praktisch denkt man z. B. an Bedienungsanleitungen von alltäglichen Gegenständen. Oder wenn es darum geht Changeprozesse voranzubringen.
Meine Mission ist es, andere dabei zu unterstützen, die Welt ein bisschen besser zu machen – und dafür eine leichte visuelle Kommunikation zu nutzen. Ich setze mich am liebsten für soziale Gerechtigkeit ein. Mich interessieren vor allem der Bildungs- und Antidiskriminierungsbereich. Mein reduzierter Stil passt z. B. sehr gut in den Bereich Einfache und Leichte Sprache. Diese möchte ich gerne durch ein frisches zielgruppengerechtes Design modernisieren.

Für wen arbeiten Sie? (Verhältnis öffentliche Hand, Private, Kleine/Große?)

Ca. 30 % für öffentliche Hand.
70 % für klein- bis mittelständische Privatwirtschaft

Wie wird frau das? Wie war Ihr Werdegang?

Ich habe Grafikdesign und Illustration an der Hochschule für Grafik und Buchkunst in Leipzig studiert. Sehr schnell stand danach fest, dass ich für keine klassische Werbeagentur arbeiten wollte. Auch die Kinderbuchillustration – ein Weg, den viele meiner Mitstudierenden einschlagen – interessierte mich weniger. Ich brauche eine große Sinnhaftigkeit in meiner Tätigkeit und habe mich schließlich entschieden, meine gestalterischen Fähigkeiten einzusetzen, um meine Vision einer besseren Welt voranzubringen.

Können Sie Beispiele geben, wie Sie einen komplexen Sachverhalt visuell übersetzt und damit leichter verständlich gemacht haben?

Prozesse und Strukturen sind ein gutes Beispiel dafür, wie Abstraktes durch visuelle Übersetzungen leicht verständlicher werden. Hier ein Beispiel eines Catering-Unternehmens, das mit der Visualisierung sein Geschäftsmodell erklärt.

Ein anderes Beispiel sind meine Gefühlskarten, welche ich für den BELTZ-Verlag gemacht habe. Es ist manchmal schwierig, in einer Gruppe oder mit fremden Menschen über Gefühle zu sprechen. Nicht immer findet man die richtigen Worte. Deswegen entstanden diese Karten. Sie sollen die Verbindung herstellen zwischen nonverbalen Gefühlen und dem Verbalen. Bilder helfen einfach, Gefühle besser zu verstehen und darüber zu sprechen


Wie/was können gewöhnliche Menschen (im Sinne von: diese Profession nicht beherrschend) von Ihnen lernen für ihre Kommunikation?

Das erste, was die meisten Menschen, die nicht regelmäßig visualisieren, überwinden sollten, ist die Angst vor Fehlern. Viele haben große Hemmungen, sich bildlich auszudrücken, weil sie glauben, dass sie nicht gut genug sind. Dabei spielt das zeichnerische Talent keine Rolle. Es gibt keine Fehler. Es gibt nur verschiedene Stile und Sichtweisen. Es geht beim Visualisieren nicht darum zu zeichnen, sondern Zeichen zu setzen. Einfache Symbole sollten sogar so einfach wie möglich sein, um Botschaften zu übermitteln. Ein großer Teil der Visualisierungsarbeit besteht darin, eine passendes Motiv zu finden und ein möglichst einfaches Motiv dafür zu finden.

Das zweite, was Menschen ohne zeichnerische Ausbildung von mir lernen können, ist die technische Umsetzung. Es reichen tatsächlich nämlich nur ein paar Striche, um Symbole, Gegenstände und Figuren zu zeichnen. Und das kann man üben.

Ich gebe Workshops zum Thema „Leicht visualisieren“. Da erfahren die Teilnehmenden, was für einen Spaß es macht, sich visuell auszuprobieren. Sie bekommen praktische Tipps fürs reduzierte Visualisieren und Mut, sich mit ihrem eigenen Stil auseinanderzusetzen und weiterzuentwickeln.

Welche sind typische „Übersetzungs“-Aufgaben?

Ein typischer Auftrag besteht aus der Bebilderung von Texten in Leichter Sprache, sogenannte „Leichte Bilder“. Zum Beispiel hab ich die neue Webseite der Antidiskriminierungsstelle des Bundes in Leichter Sprache bebildert. Und ich habe die neuartige Broschüre in Leichter Sprache zum Thema „Menstruation und Besuch bei der Frauenärztin“ für Profamilia Sachsen illustriert. Typisch dabei ist, dass ich auf eine große Vielfalt bei der Darstellung von Menschen achten muss. Und oft ist auch ein tabuisiertes Thema mit dabei, das durch die Veröffentlichung enttabuisiert werden soll.

Typisch für Leichte Bilder ist auch, dass ich die Zielgruppe von Anfang an mit in den Designprozess einbinde durch frühes Einholen von Feedback. Das Feedback kommt zum Beispiel von einer Prüfgruppe bestehend aus Menschen mit Lernschwierigkeiten und aus einer Person mit Seheinschränkung. Sie sind die Expertinnen und Experten für visuelle Klarheit. Oder ich hole mir Feedback von Menschen aus anderen Zielgruppen. Zum Beispiel gestalte ich gerade eine Ausstellung zum Thema „Willkommenkultur in Leipzig“. Menschen mit Migrationsbiografie erzählen, wie sie das Ankommen in Leipzig erleben. Da interviewe ich Menschen mit Migrationsbiografie.
Die Rückmeldungen helfen mir enorm, mich in eine angemessene visuelle Sprache einzufühlen und nutzungsfreundliches Design daraus zu gestalten.

Über den Nutzen von partizipativen Designprozessen habe ich auch einen Blogbeitrag zur Profamilia-Broschüre und zum Teilhabeplan der Stadt Leipzig geschrieben.

Ein anderer typischer Auftrag ist das Prüfen auf Verständlichkeit und visuelle Klarheit von (Leichten) Bildern. Ich habe eine eigene Prüfgruppe. Wir prüfen neben Bildern für Leichte-Sprache-Texte auch alle anderen visuellen 2D-Visualisierungen.

Ein anderer typischer Auftrag besteht in Life-Visualisierungen für Veranstaltungen. Häufig angefragt sind visuelle Dokumentationen von Workshops. Zum Beispiel visualisiere ich bald die Ergebnisse aus einem Visions-Workshop für Mitarbeitende eines Energieunternehmens. Die visuelle Dokumentation dient dazu, die Ergebnisse fassbarer, realer und somit verbindlicher und nachhaltiger zu machen.
Oder ich unterstütze durch das Live-Visualisieren Arbeits- und Denkprozesse WÄHREND der Veranstaltung. Zum Beispiel habe ich bei einem Schreibworkshop vom Projekt Touchdown 21 die Teilnehmenden dabei unterstützt, ihre Geschichten zu entwickeln.

Was kann Bildsprache, was gesprochene Sprache nicht kann?

Bilder können komplexe Sachverhalte einfach und verständlich darstellen. Die chronologische Reihenfolge von Texten und gesprochenen Worten reicht zum Verständnis von komplexen Informationen häufig nicht aus, um komplexe Strukturen zu begreifen. Bilder geben eine Art Vogelperspektive über Zusammenhänge und ermöglichen es so dem/der Betrachter/in, neue Perspektiven einzunehmen und so Strukturen und Muster besser zu erkennen und darauf Einfluss zu nehmen. Es geht also viel darum, eigenständiges Denken und Handeln zu fördern.

Die meisten Menschen sind visuelle Lerntypen. Sie sprechen viel leichter die Emotionen an, weil sie unmittelbarer vom Gehirn aufgenommen vom Gehirn wahrgenommen werden als Worte. Man könnte auch sagen, dass Bilder universell verständlicher sind als Worte.

Können Sie sich an Beispiele erinnern, wo Sie mit der visuellen Übersetzung gescheitert sind? Bzw. Welche Art von Transfer ist besonders schwierig?

Ja, klar bin ich schon gescheitert. Aus verschiedenen Gründen.
Wenn der formale Rahmen nicht passt, dann kommt auch keine visuelle Übersetzung zustande. Das Wichtigste für eine gelungene visuelle Übersetzung ist für mich genug Zeit und eine gut funktionierende Kommunikation zwischen mir und dem/r Auftraggeber/in. Wenn eine Anfrage zu kurzfristig kommt, ist es mit der Planung schwierig. Ich brauche eine gewisse Zeit, um mich in ein Thema einzuarbeiten. Da gab es zum Beispiel schon Live-Visualisierungen, für die ich mich schlicht nicht vorbereiten konnte, weil vom Kunden keine Zuarbeit gekommen war und zusätzlich für die Live-Visualisierung zu wenig Zeit zur Verfügung stand.

Außerdem ist mir Rückmeldung des/r Auftraggeber/in sehr wichtig. Vor allem in der Anfangsphase, in der visuelle Inhalte und Aussagen festgelegt werden, bin ich abhängig von der Rückmeldung des/r Auftraggebers/in, um weiter arbeiten zu können. Ich sehe mich NICHT als freie Künstlerin, die ihre eigenen Ideen umsetzt. Sondern gemeinsam mit dem/r Auftraggeber/in suche ich nach Lösungen, die nutzer/innenorientiert ist. Der/Die Auftraggeber/in kennt seine/ihre Kund/innen am besten. Das Wichtigste ist dabei: die Lösung muss vor allem für den/die Auftraggeber/in und die Endnutzer/innen funktionieren. Am Ende des Jahres, wenn noch letzte Fördergelder aufgebraucht werden sollen, kommen am meisten kurzfristige Anfragen. Da wünsche ich mir mehr Planung von Seites der Auftraggeber/innen.

Ich merke auch, dass ich am effektivsten arbeite, je näher ich den Endnutzer/innen bin. So kann ich den Perspektivwechsel am leichtesten vollführen, mich am besten in ihre Bedürfnisse einfühlen und die visuelle Übersetzung dahingehend gestalten. Deswegen gestalte ich meine Prozesse am liebsten partizipativ. Ich führe also von Anfang an Feedback-Schleifen und auch aktive Teilnahme von potentiellen Endnutzer/innen ein für meine Entwürfe.

Wie geht es Ihnen selbst: Nehmen Sie in der Öffentlichkeit meistens eher erst Bildsprache wahr?

Ja! Ich bin ein sehr visueller Mensch. Ich nehme alle visuellen Reize, aber auch olfaktorische und auditive sehr intensiv wahr.

Inwiefern sind visuelle Marken/Zeichen universell? Oder wirken diese auf den einen Kulturkreis so und auf den anderen different?

Menschliche Mimik ist wohl die universellste visuelle Sprache, die es gibt. Gesten, Symbole und Farben können auch in gleichen Zielgruppen je nach individuellem Hintergrund unterschiedlich interpretiert werden. Das muss man wissen, wenn man Bilder erstellt. Es ist deswegen wichtig, dass man seine Zielgruppe und ihre visuelle Sprachen gut kennt.

Welche Fehler nehmen Sie bei der Übersetzung von komplexen Zusammenhängen in Zeichen und Bilder wahr? (Im Sinne von Schildern oder Hinweisen)

Ich habe vor Kurzem Toiletten-Piktogramme gesehen, die ich nicht nur verwirrend, sondern auch diskriminierend fand. Ich musste zuerst eine Zeit lang davor stehen, bis ich verstand, in welche Tür ich gehen wollte. Da wären neutrale und eindeutigere Piktogramme besser gewesen, die man ohne Überlegen beim Vorbeigehen sofort versteht.

2 Piktogramme auf je einer Klotür. Klassische abstrakte Figuren. Bei der Frau ist nur im Brustbereich und zwischen den Beinen und beim Mann zwischen den Beinen ein leerer Kasten anstelle des Piktogramms. Außerdem ist die Figur der Frau mit einer sehr dünnen Taille gezeichnet.

Im Allgemeinen finde ich, dass zu viele Stereotypen in den Medien und auf Werbe- und Bildungsmaterial gezeigt werden. Da sollte es mehr Vielfalt geben. Auch In Stock-Fotos kann man für mehr Vielfalt sorgen.
Für die Live-Visualisierung bekomme ich mit, dass das Potential, das in der Live-Visualisierung steckt, ganz häufig nicht ausgeschöpft wird. Live-Visualisierung ist mehr als Unterhaltung oder ein Mittel zum Wow-Effekt. Live-Visualisierung ist auch ein effektives Tool zur Verbesserung von Prozessen in Workshops z. B.. Dies wird leider von vielen noch nicht erkannt. Was man dafür ändern sollte? Workshop-leiter*innen sollten mit mir in den Austausch treten, um ein didaktisch kluges Konzept für die Veranstaltung zu entwerfen. Visuelle Methoden können sich super mit anderen Methoden ergänzen und gegenseitig bereichern.

Was antworten Sie auf die These, dass Vereinfachung von Zusammenhängen die Gefahr der Banalisierung besteht?

Die Formulierung „Vereinfachung von Zusammenhängen“ ist irreführend. Nicht die Zusammenhänge an sich werden vereinfacht, sondern die Kommunikation darüber.
Für mich hat eine vereinfachte Kommunikation viel mit Nutzerfreundlichkeit zu tun. Ich muss wissen, wie ich meine Inhalte am besten verpacke, damit sie bei den Rezipient:innen a) ankommen und b) den vorgesehenen Zweck erfüllen. Es macht einen Unterschied, ob ich meine Inhalte z. B. einem Laien- oder Fachpublikum anbiete. Davon hängt ab, wie sehr ich bei den Inhalten in die Tiefe gehe oder auf welcher Ebene ich kommuniziere. Als jemand, der oder die Wissen weitergibt, muss ich mich damit beschäftigen, wie ich meinen Rezipient*innen den leichtesten Zugang schaffe UND sie ermächtige selbstständig damit umzugehen.

Wie? Indem ich z. B. einen Bezug herstelle zwischen meinen Rezipient:innen und der neuen Information. Man muss sich vorstellen, dass sich das Gegenüber immer fragt: „Was hat das mit mir zu tun?“ Eine vereinfachte Kommunikation stellt leichter den Bezug her zwischen den Rezipient:innen, dem kommunizierten Inhalt und mir als Vortragende.
Es ist ähnlich wie der Diskurs zur Leichten und Einfachen Sprache: Eine vereinfachte Form der deutschen Sprache ist einfach ein Zusatzangebot, das als Türöffner fungiert. Es steht nicht in Konkurrenz zur unvereinfachten Sprache, sondern ist als Hilfsmittel zu verstehen, damit mehr Menschen Zugang zu Informationen bekommen.

Wenn Sie sich wünschen könnten, was endlich visualisiert werden müsste, damit ein kollektiver Erkenntnisschub einsetzt, was wäre dies?

Medizinische Informationen sollten nicht nur ansprechend visualisiert, sondern auch in leicht verständliche Sprache übersetzt werden. Ärzt*innen sollten weitergebildet werden, sich leicht auszudrücken. Die Liste ist lang. Es sollten alle (lebens)wichtigen Themen wie Bildung, Gesetze, Formulare vom Amt und Versicherungen, Nachrichten, Bankangelegenheiten u. v. m. angemessen visualisiert, nutzerfreundlich gestaltet und in leicht verständliche Sprache übersetzt werden.

Danke für das Interview!

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Kommentare (1)

  1. skabric schrieb am 11. April 2022 um 10:04 Uhr

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