Ein schönes Projekt ist zu Ende gegangen. Ende 2020 beauftragte mich Profamilia Sachsen mit der Gestaltung von Leichten Bildern für die Broschüre "Blut ist gut! Informationen zur Menstruation in Leichter Sprache". Nach 5 Monaten, Anfang 2021, war die Broschüre fertig. Es war ein wichtiges Projekt. Für die sexuelle Aufklärung und für die Leichte Sprache. Am Ende sagte Profamilia zum Ergebnis: "Die Broschüre ist sooo schön geworden!" Wer hätte vor ein paar Jahren noch gedacht, dass mal jemand zu Leichte Sprache sagt, dass sie schön ist?
Genau darum gehts. Leichte Sprache ist einfach schön. Sie verdient eine visuelle Gestaltung, die sie und ihre Leserinnen und Leser wertschätzt. Gute visuelle Gestaltung fördert Verständlichkeit von Texten und dadurch fördert sie auch die Teilhabe ihrer Leserinnen und Leser. Dieses Projekt ist für mich ein weiterer wichtiger Schritt in diese Richtung.
Ich erzähle in diesem Blogbeitrag, warum der Gestaltungsprozess so besonders war und wie er mir verhalf, meine Bilder klarer zu machen. Am Schluss trage ich die wichtigsten Tipps zusammen, die ich aus den Feedbackgesprächen für klarere barrierearme Bilder bekommen konnte.
Wie alles begann
Schon lange fehlt es an angemessenem Material in Leichter Sprache zum Thema Menstruation. Profamilia wollte das ändern. Folgende Wünsche hatten sie zu den Bildern vorab:
- Die Bilder sollten leicht verständlich sein und eine große Vielfalt an Menschen zeigen.
- Die Darstellung von Blut war ausdrücklich erwünscht. Keine falsche Scham.
- Ich sollte mit Frauen, die behindert werden, ZUSAMMEN gestalten. Der kooperative Aspekt war sehr wichtig.
Gelungener Gestaltungsprozess: so sah er aus
Ich zeichnete insgesamt 68 Illustrationen. Die Agentur SUBdesign aus Dresden gestaltete den Text. Die Übersetzungen in Leichte Sprache hat Profamilia geliefert.
Das machte den Prozess so effektiv
Die Broschüre wurde von Fördergeldern des sächsischen Ministeriums finanziert. Schon VOR der Antragsstellung hatte mich Profamilia kontaktiert, um das nötige Budget für die Bilder zu klären und zu beantragen. So war der finanzielle Rahmen von Anfang an klar abgesteckt.
Ich arbeitete von Anfang an mit verschiedenen Frauen aus der Zielgruppe zusammen, die mir schon im frühen Stadium des Gestaltungsprozesses Feedback gaben: Frauen mit Lernschwierigkeiten, (Sexual)Pädagoginnen und Frauen mit Migrationsbiografie. Ich bekam so sehr früh ein sicheres Gefühl für den Bedarf und konnte meine Bilder stilistisch und inhaltlich anpassen. Zudem bekam Profamilia auch alle Feedbacks, die in die Textkorrekturen einflossen.
Das frühe Einholen von Feedback hat auch einen anderen großen Vorteil für die Qualität der Bilder: die Abschlussprüfung verlief sehr unkompliziert. ALLE 68 Bilder wurden von der Prüfgruppe verstanden. Es gab keinerlei Änderungswünsche. Das hatte ich so auch vorher auch noch nie gehabt.
Nicht nur das Einbinden der Nutzerinnen und Nutzer ist für meine Leichten Bilder unerlässlich. Genauso müssen auch die Wünsche des Auftraggebers berücksichtigt werden. Außerdem stand ich im ständigen Austausch mit SUBdesign, um die grafische Organisation der Seiten zu besprechen. Ich war also nicht nur ausführende Zeichnerin, sondern vermittelte auch zwischen den verschiedenen Beteiligten.
So war der Ablauf:
1. Zu Anfang war der Text:
Profamilia schrieb einen ersten groben Textentwurf in Leichter Sprache.
2. Organisation der Seiten:
SUBdesign legte mit dem ersten Textentwurf eine erste Seitenaufteilung der Broschüre fest. Z. B. Welche Schrift wird verwendet? Welche Textabschnitte kommen auf dieselbe Seite?
3. Erste Skizzen:
Sobald die Seitenaufteilung feststand, konnte ich loslegen mit den Bildern. Denn wenn ich weiß, wie der Text auf den Seiten fließt, kenne ich auch den Weißraum, der mir für die Zeichnungen zur Verfügung steht. In dieser Phase ergaben sich auch immer wieder Änderungen im Text und in den Bildern, da noch die Feedbacks eingearbeitet wurden. Diese Phase brauchte besonders viel Zeit, da es eine Weile dauerte, bis der Text für alle passte. Die Bilder waren in dieser Phase noch skizzenhaft, da sie so besser an die vielen Änderungen angepasst werden konnten.
4. Finalisierung:
Erst als der Text final war, konnte ich die Zeichnungen genauer zeichnen und Stück für Stück weiterbearbeiten.
Meine Tipps für klarere barrierearme Bilder
Viele gute Verbesserungsvorschläge habe ich von den Prüferinnen bekommen. Ein paar möchte ich hier mit Euch teilen. Sie sind gut auf andere Projekte anwendbar.
- Füge Beschriftungen in die Bilder ein. Wichtige Begriffe, die im Text hervorgehoben werden, sollten auch im Bild wiederholt werden. Warum? Menschen mit Leseschwierigkeiten können sich mit beschrifteten Bildern besser mitteilen. Sie zeigen im Gespräch einfach auf das Bild.
- Achte auf ausreichend Kontrast in den Bildern. Die Zeichnerin oder der Zeichner kann z. B. den Kontrastrechner von leserlich.info verwenden, um die passenden Farbwerte zu finden. Mehr Info zu ausreichend Kontrast in Grafiken findet man hier. Lasse die Bilder zusätzlich auch auf ausreichend Kontrast prüfen von einer Person mit Seheinschränkung.
- Stelle eine realistische Vielfalt bei Menschen dar. Und vermeide zu viele Stereotypen und idealisierte Menschentypen. Eine gesunde Mischung sollte es sein. So können sich die Leserinnen und Leser besser damit identifizieren.
- Wähle Orte und Gegenstände, die die Leserinnen und Leser gut kennen. Zum Beispiel: Viele Frauen mit Behinderung leben in einem Wohnheim und arbeiten in einer Werkstatt für behinderte Menschen. Ich wurde darauf aufmerksam gemacht, dass dort Hygienebeutel für Menstruationsartikel verwendet sollten. Deswegen erscheinen sie auch im Bild.
- Sei empathisch mit den Leserinnen und Lesern. Z. B. wurde ich von einer Prüferin bei diesem Bild darauf aufmerksam gemacht, dass die Frau darauf achten solle, die Tür gut zu verriegeln. Intimsphäre ist leider keine Selbstverständlichkeit in einem Wohnheim. So kam die verriegelte Tür auch noch ins Bild.
- Nimm es mit Humor. Besonders sensible Themen können durch eine Prise Humor aufgelockert werden. Viele Menschen werden so aufnahmebereiter. Hier wurde ich gebeten, beim Thema Wechseljahre nicht zu stark auf das Unangenehme der Wechseljahre zu fokussieren. Gesagt getan!
Link zur Broschüre und Reaktionen der Öffentlichkeit
Die Broschüre kann man auf der Seite von Profamilia kostenlos herunterladen: https://www.profamilia.de/fileadmin/landesverband/lv_sachsen/Melisse/Homepage_pro-familia-broschur-menstruation-A4-3-screen.pdf
Ein paar Reaktionen zur Broschüre:
"Ich würd mich euch gern bedanken, dass ihr so eine coole Sache gemacht habt – sogar in Leichter Sprache! Die Begriffe sind wirklich gut erklärt, die Bilder sind super schön & Menschen drauf sind divers, was ich auch sehr cool finde."
"Deine Bilder leben bei Dir und Du erweckst sie zum besseren Leben, das sieht man hier absolut eindeutig in Großformat und total wuchtig der Knaller."
"Es steckt viel Arbeit und viel Sensibilität darin."e
- Leichte Sprache
- Leichte Bilder
- Informationsdesign
- Menstruation
- Sexualpädagogik